Am Freitag, den 16.03.2018 besuchten die Klassen 10a und 10b die Gedenkstätte in Hadamar. Hier wurden im Zweiten Weltkrieg Menschen, die als krank oder behindert galten, vergast und anschließend in Verbrennungsöfen verbrannt.
derenWir starteten gegen 11.15 Uhr von der Erlenbachschule und gingen zu Fuß Richtung Hadamar. Als wir unser Ziel erreicht hatten, betraten wir das Gebäude, in dem sich die Dauerausstellung befindet. Dort sieht man große Tafeln, die über Personen informieren, die in Hadamar waren. Man sieht Opfer, aber auch Ärzte und Pfleger. Wir gingen aber zunächst in einen Raum, wo wir uns als Erstes mit einem Mitarbeiter der Gedenkstätte trafen. Er erklärte uns ein paar allgemeine Dinge zum Thema Euthanasie und die beiden Mordphasen, die in Hadamar durchgeführt wurden. Vieles davon kannten wir bereits aus dem Geschichtsunterricht.
Schließlich schauten wir uns die Scheune an, wo früher die grauen Busse mit den Menschen, deren Leben von den Nazis als unwert bezeichnet wurde, ankamen. Hier lasen zwei Schüler eine Biographiekarte vor, sodass man die Sicht eines Opfers und eines Täters besser nachvollziehen konnte.
Als Nächstes liefen wir zurück in den Raum, wo sich die Dauerausstellung befand. Der Mitarbeiter erläuterte uns, wie man während der nationalsozialistischen Herrschaft mit den Menschen verfahren ist. Er sagte, dass die Familien der Getöteten erst eine Woche später vom Tod ihres Angehörigen Bescheid bekamen. Solange wurde von ihnen weiterhin noch Geld für Unterkunft und Pflege verlangt. Erschreckend für uns war, als wir erfuhren, dass die Angehörigen eine völlig falsche Todesursache genannt bekamen. Außerdem wurde der Tod im Schreiben an die Angehörigen als eine Erlösung dargestellt.
Nun gingen wir in den Keller zu den Räumen der Gaskammer und des Krematoriums. Dort wurden alle sehr leise und hörten gespannt zu. Nachdem der Mitarbeiter uns in die Räumlichkeiten einwies, durften wir uns frei bewegen und schauten uns alles sehr neugierig an. Der Keller war eng und bedrückend, ganz anders als wir uns es vorstellten.
Später gingen wir gemeinsam zum Friedhof, wo jedoch fast alle Grabsteine entfernt wurden. Ein weiteres Mal lasen wir uns verschiedene Biographien vor. Zum Schluss sahen wir die Kindergräber. Hier trug der Mitarbeiter uns ein nachdenkliches Gedicht vor und beendete die Führung.
Für uns alle war dies kein gewöhnlicher Ausflug, dennoch war es wichtig, dort gewesen zu sein. Die Gedenkstätte Hadamar regt zum Nachdenken an. Wir bedanken uns vor allem beim freundlichen Mitarbeiter, der uns Geschichte interessant und ansprechend vermittelte und immer ein offenes Ohr für unsere Fragen hatte.
Unsere Eindrücke sollten wir im Deutschunterricht literarisch verarbeiten. Wir konzentrierten uns dabei auf zwei Personen, die wir während unseres Besuchs in Hadamar kennen gelernt haben: Anna Voß und Hubert Gomerski.
Nele S., Madeleine S.
Ein seltsamer, trauriger Abend
Es war ein normaler Abend in der Heilanstalt Hadamar. Es gab wie immer Eintopf als Abendgericht, was sonst. Wir versammelten uns alle und aßen gemeinsam. Ich fühlte mich nicht wohl hier, gerade heute, irgendetwas war faul, doch wir trauten uns nicht nachzufragen.
23:00 Uhr, fast Mitternacht. Ich schlief fest, als ich plötzlich ruckartig aus dem Bett hochfuhr. Ein Pfleger. Ich musste mich schnell anziehen, sofort! Ich merkte, ich war nicht die Einzige, die aufgeweckt wurde. Man führte uns raus auf den Hof, wo wir dann in Bussen Platz nehmen sollten. Man fuhr mich mit ein paar anderen weg. Wohin fuhren wir? Werden die mich jetzt umbringen? Was passiert mit meinem ungeborenen Kind? Mir gingen so viele Sachen durch den Kopf, gerade jetzt, meine Schwangerschaft.
Wir fuhren ungefähr eineinhalb Stunden. Immer noch wusste niemand wohin. Wir konnten weder aus den Fenstern gucken, noch durften wir reden. Plötzlich hielten wir an. Wir sollten aussteigen und den Pflegern in ein Gebäude folgen: „Erbgesundheitsgericht Frankfurt“ stand auf einem Schild. Hier war ich schon einmal gewesen. Was sollte das ganze Theater? Der Antrag auf Sterilisation wurde doch abgelehnt? Ärzte hatten mir bereits bescheinigt, dass ich gesund sei. Ich wurde in den Gerichtssaal gerufen. Dort saß der gleiche Vorsitzende wie beim letzten Mal, nur andere Ärzte. Und ein anderes Urteil. Ich würde zwangssterilisiert werden. Komplett außer mir sprach ich gegen diese Entscheidung an. Man warf mir erbliche Vorbelastungen und soziales, sittliches Versagen vor und wollte ausschließen, dass ich mein unangepasstes Verhalten an weitere Nachkommen vererbe. Ich schrie nach der Urteilsverkündung, man habe mich unfair behandelt. Doch sie zogen mich aus dem Gerichtssaal und forderten den nächsten auf, einzutreten. Bleibt nun abzuwarten, was kommt!
Arlind K.
Die erste Schicht
Im Jahr 1939 trat ich der SS bei. Hätte ich gewusst, wie weit ich gehen würde, wäre ich lieber Eisenhauer geblieben.
Ich kam mit der 8. SS-Totenkopfstandarte nach Krakau, aber dort blieb ich nicht sehr lange, denn schon im Januar 1940 wurde ich zur Polizeireserve nach Berlin abkommandiert.
Wenige Monate später bestellte man mich in die „Euthanasie“-Zentrale, wo ich für die Mordaktion rekrutiert und zum Schweigen verpflichtet wurde. Man stationierte mich nach Hartheim bei Linz, wo ich mit Büroarbeiten befasst war. Ich sortierte Akten und verteilte verschiedene Dokumente in Ordner.
Eines Morgens wachte ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf, doch ich machte mir keine weiteren Gedanken und führte meine Arbeit wie gewohnt durch. Durch ein kleines Fenster an der kahlen Wand, hatte ich einen Blick auf die ankommenden Busse. Mir lief immer wieder ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran dachte, was in Kürze mit den Menschen passieren würde, die jetzt in den Transportern saßen und sich nach Hilfe sehnten.
Mit ihnen hatte ich jedoch nicht viel zu tun. Umso mehr überraschte es mich, als ich erfuhr, dass ich zur Leichenverbrennung herangezogen werden solle. Ich war aufgeregt, aber zugleich auch ein wenig stolz, da mir diese Aufgabe zugetraut wurde.
Am Abend vor meiner ersten Schicht als Brenner, schrieb ich einen Brief an meine Frau. Ich fragte, wie es ihr und unseren Kindern ginge und erzählte, dass ich befördert wurde. Da ich zu schweigen verpflichtet war, durfte ich ihr keine näheren Informationen zu meiner Arbeit geben. Ich vermisste meine Familie sehr und hoffte, sie bald wiedersehen zu können. In der folgenden Nacht bekam ich kaum ein Auge zu. Zu groß war die Aufregung auf den folgenden Tag. Ich dachte über die große Verantwortung nach, die ich nun auf meinen Schultern trug.
Als ich am nächsten Tag zu meiner ersten Schicht als Brenner antrat, begrüßte mich mein neuer Kollege. „Bereit für deine erste Schicht? Ich bin Franz Hartman und ich hoffe, du hältst länger durch als mein alter Partner.“, sprach er genervt. „Versuchte er mich einzuschüchtern?“, fragte ich mich. Ich nickte zur Begrüßung kurz mit dem Kopf und entgegnete wenig begeistert: „Mein Name ist Hubert Gomerski.“
Wir befanden uns an einem Verbrennungsofen und man teilte uns mit, dass die Patienten nun hereingebracht würden. Einige Minuten vergingen und ich fragte mich, wie lange die Vergasung wohl dauern würde. Franz sprach kein Wort mit mir und ich hatte auch nicht das Bedürfnis mit ihm zu reden. ich kann nicht sagen, wie lange wir warteten, ich fühlte mich wie betäubt.
In meinen Gedanken war ich so tief versunken, dass ich nicht merkte, dass mein Kollege bereits den schmalen Gang in Richtung Gaskammer hinaufmarschierte. Ich versuchte Schritt mit ihm zu halten, doch er war größer und schneller als ich. Als wir die Tür zur Gaskammer erreichten, öffnete Franz sie.
Ich sah Menschen. Tote Menschen. Ich fühlte mich wie versteinert, bis Hartman mir einen Stoß verpasste und grob sagte: „Fang endlich an und starr nicht so!“ Langsam begriff ich und begann, die Leichen durch den Gang in Richtung der Verbrennungsöfen zu zerren. Einige der Körper waren markiert. Diese, so sagte man uns, sollten wir in einen Nebenraum schaffen und auf einen steinernen Seziertisch legen. Die restliche Toten schoben wir nacheinander in die beiden Verbrennungsöfen. Es war schrecklich mit anzusehen, wie die Menschen langsam verbrannten. Wir durften erst gehen, als alle Leichen verbrannt waren. Am Schichtende gab man uns eine Extraration Schnaps. „Für den Kopf.“, sagten sie.
An Schlaf war nach dieser Schicht nicht zu denken. Sobald ich meine Augen schloss, erschien mir das Bild der mit Menschen gefüllten Gaskammer. Hatte ich Schuldgefühle? War ich Täter?
Die Familien der Opfer wussten nicht, was hier geschah. Sie dachten, ihre Mütter, Väter oder Kinder bekämen hier Hilfe. Sie dachten, dies sei ein ganz normales Krankenhaus. Was wäre, wenn es mein Kind oder meine Frau wären, die so kaltherzig ermordet würden? Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Stundenlang. Ich hielt es nicht mehr aus. Da sah ich den Schnaps. Der half. Unruhiger Schlaf.
Jasmin Schweizer